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Von offenen Türen

Bis einen Tag vor unserer Abfahrt aus Königstein wissen wir nicht, wohin es weitergeht. Wir erhalten dann aber einen klaren Impuls für den nächsten Schritt. Ich bespreche diese Idee mit André, wir wägen ab, es kommen Ängste auf und wir sprechen offen über alles. Wir entscheiden uns, dem Impuls zu folgen. Am Tag des Abschiedes frühstücken wir von mir improvisierte Rohkosttorte. Sie schmeckt köstlich! Wir verabschieden uns von Christian mit Dank im Herzen, packen unsere Sachen (öhhhhh, uff, immer dieses ganze Zeug… :/) und radeln los.

Das Wetter ist warm und sonnig. Die Radstrecke ist mitunter anstrengend und bergig, doch wir fahren schwungvoll und voll Elan. Es tut gut, unterwegs zu sein und etwas in uns zieht uns an diesen neuen Ort. Wir biegen in die Straße ein, in der wir für die kommende Woche eine Unterkunft haben werden und gleiten wie durch einen unsichtbaren Vorhang in eine andere Welt. Es ist idyllisch, still, malerisch schön. Wir passieren kleine und größere Häuser mit großen Gärten, in denen der Frühling Einkehr hält und die von Krokussen nur so übersät sind.

Auch in der Luft breitet sich die Frühlingsatmosphäre aus. Ein lieblicher, kleiner Bach plätschert neben uns. Wir kommen an einen See und rechts davon liegt das Rittergut, in dem wir die nächste Woche verweilen und nächtigen werden. Ich bin so froh über einen etwas längeren Aufenthalt. Wir sind sogleich verliebt in diesen Ort. Wir umfahren das Gut einmal mit dem Rad (es gibt einen Schleichweg an dem Gut vorbei, der nach hinten führt) und finden viele ursprüngliche, wild bewachsene Wiesen und eine naturschöne Landschaft um das Gut herum.

Der Gutsherr begrüßt uns. Wir haben wunderschöne Räumlichkeiten und sind überwältigt. Die Umgebung lädt zum freien Spielen, Entdecken und entschleunigtem Sein in der Natur ein. Das machen wir auch alle, insbesondere ich und die Mädchen nehmen uns viel Zeit füreinander, um eben diesen Dingen nachzugehen. Jolie war die Tage zuvor unausgeglichen und kommt hier wieder mehr in eine innere Ruhe. Elea blüht auf und zusammen sind die beiden auch mehr verbunden und in Einigkeit. Abgesehen von täglichen Kleinigkeiten ist es hier sehr viel harmonischer als die Tage zuvor. Es ist, als wären wir in einem Märchenbuch gelandet. Ich fühle mich aus allem Alltäglichen und Gewöhnlichen gelöst. 

Nach einem Tag hier beginne ich zu bluten. Ich menstruiere bereits seit einigen Jahren frei und verwende keine Hygieneartikel, die ich in mich einführe oder an mir trage, damit sie etwas abhalten oder einfangen, was mir mittlerweile als natürlich, heilig, kraftvoll, magisch gilt. Es will aus mir heraus fließen! Warum sollte ich diesen natürlichen Fluss stoppen, begrenzen oder regulieren? Ich habe in all den Jahren ein feines Gespür dafür entwickelt, wann und wie ich blute, dass ich es frei fließen lassen kann. Meist auf die Erde.

In dem großen Garten, in dem ich lebte, ließ ich mein Blut stets zur Erde ein. Sie nahm meine Informationen auf, wurde gespeist von meinem Innersten. Reisend gelingt es mir nicht, ganz so tief hinzuspüren, weil um mich herum viel Ablenkung liegt. So passiert es dann auch mal, dass ich in meine Kleidung blute oder es meine nackten Beine hinabläuft. Auch dies (es wäre früher undenkbar gewesen für mich, das als natürlich zu erachten) ist ein Prozess von echter, wilder Annahme und Freiheit. Ich zelebriere mein Bluten.

Meine Sinne werden so fein und scharf am ersten Tag der Blutung, dass mir alles zu viel ist. Jedes Geräusch, noch so fein, ich höre es wie Flugzeugmotorendröhnen oder Feuerwehrsirenen in meinen Ohren. Jeder Geruch erscheint mir als zu penetrant. Eine parfümierte Frau, die an mir vorbeigeht, sticht mir noch nach 3 Minuten in der Nase und mir wird speiübel vom künstlich aufgesetzten Geruch. Alles Licht ist mir zu hell. Menschen um mich herum zu viel (sogar ich selbst bin mir manchmal zu viel). Ich krieche ganz tief in mich hinein und kann mit Dingen im Außen gar nichts mehr anfangen. Ich bin damit überfordert und überreizt. Schon ein Frühstück zuzubereiten ist zu viel.

Nur mein innerer Raum ist jetzt gerade wichtig. Ich fühle mich viel zu warm. Meine Füße, mein Becken, mein Kopf wollen Kälte und am liebsten würde ich in einen eisklaren See eintauchen. Mein Rücken, Nacken- und Schulterbereich verlangen nach Wärme. Ich liege viel im Bett und gehe alles langsam an. Am liebsten wäre ich ganz allein. Menschen um mich herum sind mir zu viel. Ich will nur meinem Bedürfnis und Sein Raum geben und tief in mich sinken und fallen. Ich höre meinem Schoßraum zu, fühle Reinigung und kann vieles nicht loslassen, das in mir ist, und die Kinder hängen an mir wie lästiger Klebstoff.

André lässt mir am frühen Morgen ein kaltes Bad ein. Ich setze mich in das kühlende Nass, was mir sofort wohltut und entspannt und gut bluten lässt. Mein Beckenboden ist jetzt wieder entspannt. Ich blute seicht ins kühle Wasser. Kerzen stehen neben der Wanne und André hat sogar Eiswürfel bereit gestellt, die ich nicht verwende, denn es ist ausreichend kühl und angenehm für mich. Ich verweile so eine Zeit lang.

Meine Tochter ist mit im Bad und stört meinen natürlichen, eigenen Rhythmus. Ich würde länger in der Wanne sitzen, wäre sie nicht da. Ich stehe auf und dusche meinen Rücken und Nacken warm mit den Düsen ab. Es tut so wohl. Dann lasse ich das kalte Nass über Kopf und Gesicht laufen. Neue Energie fließt durch mich. Ich fühle mich gestärkt.

Bluten ist magisch. Ich möchte Frauen inspirieren, ihrer Weiblichkeit und Magie zu vertrauen, und freien Raum und Bewusstheit dafür schaffen! 

André und ich führen dieser Tage viele bewegende Gespräche und ich kann mich immer noch mehr zeigen. Er fragt mich, ob es mir nach wie vor gefällt, was ich an ihm habe. Bezogen war die Frage auf Umstände und Situationen, die sich hier und dort mal ergaben und ergeben. Ich antworte ihm, dass nicht die Umstände mich und uns lenken und beeinflussen, sondern dass ich wünsche mit ihm zu sein, und darauf basiert für mich alles alles! Die Grundlage für mich ist, mit ihm zu sein. Daraus kreieren wir die Umstände. Ich glaube heute mehr als je zuvor, dass wir das wahrhaft tun, in jedem Augenblick.

Heute sitze ich nach all diesen atembewegenden Tagen und nährenden Zeit abends allein an der Tafel unsrer Ritterstube. Vor mir steht ein wuchtiger, wachsüberlaufender, fünfzähliger Kerzenleuchter. Das Licht von den fackelartigen Leuchten der steinernen Wände fällt dumpf auf mich herab und erhellt den Raum mit seichtem Licht. Ich fühle mich hier an diesem Ort wie in der Zeit zurückversetzt und doch so sehr im Hier und Jetzt angekommen.

Schon als wir vor einigen Tagen in diesen Ort hier mit den Fahrrädern hineinfuhren, schien es mir, als führen wir in eine Oase von Zeitlosigkeit. Mich umhüllte in diesem Ort eine stille, idyllische, märchenhafte Atmosphäre. Aber davon schrieb ich ja bereits. Ich bin sehr friedvoll und glücklich darüber, endlich einmal Zeit gefunden zu haben, all dies aufzuschreiben und wünsche mir mehr Zeit zum Schreiben zu haben (oder besser gesagt zu nehmen).

Mir stellt sich die Frage, was ich dir in meinen Texten eigentlich mitgeben will und mit dir teilen mag. Vordergründig ist das der Mukina-Aspekt: die Mutter-Kind-Natur-Verbundenheit und alle Themen rund um bedürfnissorientertes Muttersein, Kinder natürlich und naturnah begleiten. Weiterhin geht es um wilde (Ur-)Weiblichkeit und um Kraft-Potentialentfaltung und Schöpferinnensein. Ich wünsche, dass du Inspiration erfährst, dich selbst zu entdecken, dir zu vertrauen und dem Ruf deines Herzens zu folgst, um deinen ganz eigenen Weg zu gehen und deine Mission in die Welt zu tragen. Dann wünsche ich noch Freude, Licht, Dankbarkeit, Wertschätzung und Bewusstheit aus den von mir verfassten Zeilen fließen zu lassen, auf dass es dich als Leserin erREICHen und erFÜLLEn möge! 

Um noch eine Geschichte mit dir zu teilen, die dir von alldem etwas zu geben vermag, möchte ich von meinem Erlebnis am gestrigen Vollmondabend erzählen: 

Es ist der 28. März 2021. Der Vollmond ruft mich zu später Stunde nach draußen. Ich folge dem Ruf. Ich öffne die schwere Holztür unseres Turmzimmers. Die Türen hier sind wunderschön und ich sinne viel über Türen nach: über offene, über verschlossene, über sich schließende und über sich öffnende Türen. Übrigens lassen wir auf unserer Reise meist die Türen geöffnet. Wir haben nur einige Male auf dem Rittergut die Tür nachts verschlossen. Auch bei mir zu Hause habe ich in all den Jahren nie meine Tür verschlossen.

Ich gehe die steinernen Stufen zum Hof hinab. Es ist ein Abend der Stille. Die Luft ist klar und rein. Ich atme tief. Vom Burgplatz aus gehe ich zum See hinüber, der wie ein dunkler Spiegel vor mir liegt. Er wirkt wie ein dunkler, tiefer Seelenspiegel, tief, still und klar. Ich verweile am See, schließe die Augen und fühle mich einfach. Es kommen Gedanken auf. Ich denke an ein Telefonat mit Sara, meiner lieben Herzfreundin und an eine andere liebe Herzfreundin, die einen Tag zuvor ihren Sohn auf selbstbestimmte, kraftvolle frauenmagische Weise geboren hat. Ich spüre welch´große Sehnsucht in mir liegt, mich mit ihnen zu verbinden und zu sein.

Ich möchte Fanny in die Arme schließen, mich mit ihr austauschen – gerade jetzt in dieser wundersamen und wertvollen Zeit. Emotional und energetisch sind wir bereits verbunden und doch sehne ich mich sie zu berühren, sie anzulächeln und in ihr Lächeln zu blicken, sie mit den Augen zu sehen und ihr nah zu sein. Dann sehne ich mich nach der wunderbar sonnigen Sara, ihr Gemüt, das inspirativ und mitnehmend ist, ihre Energie, die so bewegend ist, und ihre schöne Art mit den Kindern zu sein und sie zu begleiten. Ich mag so sehr mit ihr zu albern und zu lachen. Innere Bilder steigen in mir auf, wie wir alle in der Natur neckisch, lachend, liebevoll, wild und verbunden sind. 

Ich wende mich ab und gehe ein Stück am See entlang auf eine kleine Schleuse zu. Dort ist eine Brücke und ein angenehmes Rauschen. Es ist der Übergang von einem zu etwas anderem: Es fließt der See zu dem bezaubernden, kleinen Bach. Ich stehe nun auf der Brücke und blicke zum Bach. Unter mir strömt Wasser und treibt schnell voran und will weiter fließen. So viel Kraft und Schönheit liegt in diesem Element. Ich drehe mich um und schaue in die gegenüberliegende Richtung. Vor mir liegt der stille, tiefe, dunkle, seelenspiegelnde See.

In dem Augenblick habe ich eine Erkenntnis. Ein so klarer Impuls tut sich auf, dass er fast mein Herz schneidet. Gewissheit, die sich da gerade offenbart und zugleich eine Vorfreude und tieferes Vertrauen ob meiner Reise. Ich sehe es genau und etwas in mir ist so klar damit alle Städte und systemkonformen Regionen hinter mir zu lassen und die Wildheit in mir weiter zu finden, zu leben, zu schaffen. Etwas ganz Neues will gelebt. Mein Herz ruft mich eindringlich dies zu tun. Dies bedeutet, mich von Altem abzuwenden und wie eine alte Schlangenhaut abzustreifen. In genau diesem Prozess befinde ich mich gerade. Ich schlängele mich aus meiner alten, kleinen Hülle der Begrenztheit, um als glänzende Schlange in neuer Haut zu erstrahlen. Ich gehe an Orte von mehr Natürlichkeit, Einklang, Wildheit und Naturverbindung und erschaffe sie. Ich bin gewiss, meine Herzfreundinnen dort wieder zu treffen, auf dass wir einen gemeinsamen Ort des wertschätzenden, freien, natürlichen Miteinanders kreieren, eine Lichtinsel auf die Erde bringen. 

 

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